Christosophia oder der Weg zu Christo |
Wie sich der Mensch im Willen und im Gemüte in sich selber erwecken müsse und was seine Betrachtung und ernster Fürsatz sein solle, wann er will kräftige Buße zu wirken, und mit was für einem Gemüt er solle vor Gott treten, wann er will von Gott Vergebung der Sünden bitten und erlangen.
Vorrede des Autoris an den gottliebenden Leser
St. Paulus sagt: Alles, was ihr tut, das tut im Namen des Herrn und danket Gott und dem Vater in Christo Jesu.
Gottliebender Leser, wirst du dies Büchlein recht brauchen und dir lassen ein Ernst sein, du wirst seinen Nutzen wohl erfahren. Ich will dich aber gewarnet haben, ist dirs nicht ein Ernst, so laß die teuren Namen Gottes, in dem die höchste Heiligkeit damit genannt, gerüget und mächtig begehrte wird, stehen, dass sie dir nicht den Zorn Gottes in deiner Seelen entzünden. Denn man soll den heiligen Namen Gottes nicht missbrauchen. Dies Büchlein gehört allen denen, die da gerne wollten Buße tun und in Begierde zum Anfange sind. Sie werden es beiderseits erfahren, was darinnen für Worte sind und woraus sie geboren. Hiermit der ewigen Güte und Barmherzigkeit Gottes empfohlen!
I, 1 Wann der Mensch will zur Buße schreiten und sich mit seinem Gebete zu Gott wenden, so soll er vor allem Gebete sein Gemüt betrachten, wie dasselbe so ganz und gar von Gott abwandt stehet, wie es an Gott sei treulos worden, wie es nur in das zeitliche, zerbrechliche, irdische Leben gerichtet sei und keine rechte Liebe gegen Gott und seinen Nächsten führe und wie es also ganz wieder Gottes Gebot lüstere (=aufbegehre) und walle und nur sich selber in zeitlicher vergänglicher Fleischeslust suche.
2. Zum andern soll er betrachten, wie dieses alles eine Feindschaft wider Gott ist, welche ihm der Satan durch seien Trug in unsern ersten Eltern erweckt hat, um welches Greuels willen wir des Todes sterben und mit unsern Leibern verwesen müssen.
3. Zum dritten soll er betrachten die grausamen drei Ketten, daran unsere Seele die Zeit dieses irdischen Lebens feste angebunden ist: Als die erste ist Gottes strenger Zorn, der Abgrund und finstere Welt, welches das Centrum und kreatürliche Leben der Seelen ist. Die andere Kette ist des Teufels Begierde gegen der Seelen damit er die Seele stets sichtet, versuchet und sie ohne Unterlaß von Gottes Wahrheit in die Eitelkeit, als in Hofart, Geiz, Neid und Zorn stürzen will und dieselben bösen Eigenschaften mit seiner Begierde stets in der Seele aufbläset und anzündet, dadurch sich der Seelenwille von Gott wendet und in die Selbheit eingehet. Die dritte und allerschädlichste Kette, daran die arme Seele angebunden stehet, ist das verderbte und ganz eitle, irdisch sterbliche Fleisch und Blut, voll böser Begierde und Neiglichkeit. Allhier soll er betrachten, wie er mit Leib und Seele in dem Sündenschlamm, in Gottes Zorne im Rachen der Höllen Abgrund hart gefangen liege, wie Gottes Zorn in Seele und Leib in ihm brenne, und wie er der stinkende Säuhirte sei, welcher seines Vaters Erbe habe mit des Teufels Mastsäuen in irdoischer Wollust verpranget und verzehret, als (d. h.) Gottes Liebe und Bermherzigkeit, und nicht wahrgenommen habe des teuren Bundes und Versöhnung des unschuldigen Leidens und Todes Jesu Christi, welchen Gott aus lauter Gnaden in unsere Menschheit eingegeben und in ihm versöhnet hat; auch wie der des Bundes der Heiligen Taufe, in welchem er seinem Heiland hat Glauben und Reu zugesagt, so ganz vergessen, und seine Gerechtigkeit, welche ihm in Gott in Christo aus Gnaden geschenkt, so ganz in Sünden besudelt und verdunkelt, dass er nun jetzt mit dem schönen Kleide der Unschuld Christi, welches er befleckt hat, vor Gottes Angesicht stehe als ein kotiger, zerrissener, zerlumpter Säuhirte, der stets mit des Teufels Säuen die Treber der Eitelkeit gefressen, und sei nicht wert, dass er ein Sohn des Vaters und Glied Christi genennet werde.
4. Zum vierten soll er ernstlich betrachten, dass der grimme Tod alle Stunden und Augenblick’ seiner wartet, und will ihn mit diesem Säuhirtenkleide in seinen Sünden und Greueln ergreifen und in Abgrund der Höllen stürzen als einen Meineidigen und Glaubbrüchigen, welcher zum Gerichte Gottes in der finsteren Todeskammer solle behalten werden.
5. Zum fünften soll er das ernste und strenge Gericht Gottes betrachten, da soll er lebendig mit seien Greueln vor das Gerichte gestellt werden und ihm alle diejenigen, welche er hat allhie mit Worten und Werken beleidiget und zum Übel verursachet, dass sie unter seinem Trieb haben auch Sünde gewirket, werden unter Augen treten, ihn verfluchen, und solches vor den Augen Christi, auch vor allen heiligen Engeln und Menschen. Und wie er allda werde in großen Schanden und Spotte, dazu in großem Schrecken und ewiger Verzweiflung stehen. Und wie ihn das ewig würde reuen, dass er um einer so kurzen Zeit Wollust willen habe eine so große ewige Seeligkeit verscherzet und seiner nicht besser wahrgenommen, dass er auch möchte unter der Gemeinschaft der Heiligen sein und des ewigen Lichtes und göttlicher Kraft genießen.
6. Zum sechsten soll er betrachten, wie der Gottlose seine edle Bildnis, wie ihn Gott zu seinem Bilde geschaffen hat, verlieret und eine ungestalte Larva, gleich einem höllischen Wurm oder gräulichen Tier bekommt, da er dann ein Feind Gottes wider den Himmel und alle heiligen Engel und Menschen ist; und wie seine Gemeinschaft ewig in der grausamen Finsternis unter den Teufeln und höllischen Würmern ist.
7. Zum siebenten soll er ernstlich betrachten die ewige Strafe und Pein der Verdammten, wie sie in ewigem Schrecken in ihren hie gemachten Greueln sollen Pein leiden und das Land der Heiligen in Ewigkeit nicht schauen, auch keine Erquickung erlangen mögen, wie bei dem reichen Mann zu sehen ist (Luk. 16). Solches soll der Mensch ernstlich betrachten und denken, wie ihn Gott habe in ein solch schön und herrlich Bilde geschaffen, in sein Gleichnis, in dem er selber wohnen will, dass er ihn habe in sein Lob, zu seiner selbst ewigen Freude und Herrlichkeit geschaffen; dass er möge neben den heiligen Engeln mit den Kindern Gottes in großer Freude, Kraft und Herrlichkeit im ewigen Lichte wohnen, im Sange und Klange der Harmonie der englischen und göttlichen Freudenreich; dass er sich sollte mit den Kindern Gottes ewig freuen, ohne Furchte einiges Ende, da ihn kein böser Gedanke rühren könnte, auch kein Leid noch Kummer, weder Hitze noch Kälte, da man von keiner Nacht weiß, auch kein Tod noch Zeit mehr ist, sondern eine ewige Freude; da Seele und Leib in Freuden zittern und sich der unendlichen Wunder und Kräfte in Schöne der Farben und Zierheit der unendlichen Gebärung in der Weisheit Gottes auf der neuen kristallinen Erden, welche als ein durchscheinend Glas sein wird, erfreuen sollte. Und wie er es also mutwillig verscherzen tue, um einer solchen kurzen, schnöden Zeit willen, welche doch in dieser Eitelkeit, in dem bösen Leben des wollüstigen Fleisches voll Jammer, Furcht und Unruhe ist, in eitel (nichts als) Quälen; und gehet doch dem Gottlosen als dem Frommen; wie einer sterben muß, also auch der ander’; und da der Heiligen Tod doch nur ein Eingang in die ewige Ruhe ist und der Gottlosen Tod ein Eingang in die ewige Unruhe.
8. Zum achten soll er betrachten den Lauf dieser Welt, wie alles nur ein Spielwerk sei, damit er seine Zeit in Unruhe zubringet, und dass es dem Reichen und Gewaltigen gehet wie dem Armen, wie wir alle gleich in den vier Elementen leben und schweben, und dass dem Armen sein Bissen so wohl schmecket in seiner Mühe als dem Reichen in seiner Sorge. Daß wir alle in einem Odem leben, und dass der Reiche und dass der Reiche nichts als nur eine Mundleckerei und Augenlust zum Vorteil habe, sonst geht’s einem wie dem anderen, um welcher Augenlust willen der Mensch eine so große Seligkeit verscherzet und sich in solch große ewige Unruhe um des willen einführet.
9. In solcher Betrachtung wird sich der Mensch in seinem Herzen und Gemüte fühlen, sonderlich so er ihme (sich) sein Ende stets fürmodelt (vor Augen führt), dass er wird ein herzlich Sehnen und Verlangen nach Gottes Barmherzigkeit bekommen, und wird anfahen (anfangen), seine begangene Sünde zu bereuen, dass er seine Tag so übel zugebracht hat und nicht wahrgenommen noch betrachtet, wie er allhie in dieser Welt in einem Acker im Wachsen stehe, entweder eine Frucht in Gottes Liebe oder Zorn; und wird sich erst besinnen, dass er noch nichts in Christi Weinberge gearbeitet habe (Math. 20), und dass er ein dürrer Rebe am Weinstock Christi sei. Da dann in manchem, welchen der Geist Christi in solcher Betrachtung rühret, groß Jammer und Herzenleid, in sich selber Klagen überhaufen angehet über die Tage seiner Bosheit, welche er also ohne Wirkung in Christi Weinberge in der Eitelkeit verschoben (unbenutzt) und zugebracht hat.
10. Diesem nun, welchen der Geist Christi in Reue einführet, da sein Herz eröffnet wird, dass er kann seine Sünde erkennen und bereuen, ist gar leichtlich zu raten: Er darf nur die Verheißungen Christi anziehen, dass Gott nicht den Tod des armen Sünders will, Ezech. 33,11, sondern heißet sie alle zu sich zu kommen, er will sie erquicken, Math 11, 28. Und dass große Freude im Himmel sei über einen Sünder der Buße tut, Luk. 15,7. Dieser ergreife nun die Worte Christi und wickle sich in Christi Leiden und Tod ein.
11. Aber mit denen will ich reden, welche zwar eine Begierde zur Buße in sich fühlen und können aber nirgends zur Erkenntnis noch zur wahren Reu’ über ihre begangene Sünde kommen, da das Fleisch immer zur Seele spricht, : Harre noch morgen ists gut, und wann der Morgen kommt, so spricht das Fleisch wieder: morgen; da die arme Seele ächzet und und in Ohnmacht stehet und empfähet weder rechte Reue über die begangene Sünde, noch einigen (irgend einen) Trost. Denen sage ich, will ich einen Prozess schreiben, den ich selber gegangen bin, was ihm zu tun sei, und mir es gegangen ist, ob es einen lüstere nachzufolgen, so wird er es erfahren, was hienach geschehen ist.
Prozess der Buße
12. Wann der Mensch seinen
Hunger durch obennannte (vorstehende) Betrachtung in sich findet, , dass er
gerne wollte Buße tun und findet aber keine rechte Reue über die begangene
Sünde in sich und gleichwohl einen Hunger nach Reue – wie dann die arme
gefangene Seele immerdar ächzet, sich fürchtet und vor Gottes Gerichte der
Sünden sich schuldig geben muß – der kann es nicht besser machen, als raffe
Sinnen und Gemüt mit aller Vernunft zusammenin eines und mach ihm (sich) zur
selben Stunde alsobald in der ersten Betrachtung, wann er sich in Lust zur Buße
befindet einen gewaltigen Fürsatz, dass er diese Stunde und diese Minute
alsobald will in die Buße eingehen und von dem gottlosen Wege ausgehen, auch
aller Welt Macht und Ehre nichts achten, und wo es sein soll alles um der
wahren Buße willen verlassen und für nichts achten.
13. Und setze ihm (sich) einen solch harten und strengen Sinn für, dass er nimmermehr will wieder davon ausgehen und sollte er gleich aller Welt Narr darinnen sein, und dass er wolle mit seinem Gemüte aus der Schönheit und Wollust dieser Welt in das Leiden und den Tod Christi in und unter sein Kreuz geduldig eingehen und seine ganze Hoffnung auf das zukünftige Leben richten und wolle nun in Gerechtigkeit und Wahrheit in Christi Weinberg eingehen und Gottes Willen tun, und in Christi Geiste und Willen alle seine Werke in dieser Welt anfahen und vollenden, und wolle um Christi Wort und Verheißung willen, indem er uns himmlische Belohnung zugesagt hat, alles Unglück und Kreuz gerne leiden und tragen, dass er nur möge unter die Gemeinschaft der Kinder Christi gezählet und im Blute des Lammes Jesu Christi in seine Menschheit eingeleibet und vereiniget sein.
14. Er soll ihm (sich) festiglich einbilden und sein Seele ganz darein wickeln, dass er in seinem Fürsatz werde die Liebe Gottes in Christo Jesu erlangen und dass ihm Gott werde nach seiner teuren Verheißung das edle Pfand, den Hl. Geist, zu seinem Anfang geben, dass er in der Menschheit Christi nach himmlischen göttlichen Wesen werde in ihm selber neu geboren werden, und dass ihme der Geist Christi werde sein Gemüte in seiner Liebe und Kraft verneuren und seinen schwachen Glauben kräftig machen, auch dass er in seinen göttlichen Hunger werde Christi Fleisch und Blut in seiner Seelenbegierde, welche stets danach hungert und dürstet, zu einer Speise und Trank bekommen, Joh. 6,55, und mit der Seelendurst trinken aus dem süßen Brünnlein Jesu Christi das Wasser des ewigen Lebens nach Christi Verheißung und wahrhaftiger starker Zusage, Joh. 4, 10.
15. Er soll ihm auch gänzlich einbilden die große Liebe Gottes, dass Gott nicht den Tod des Sünders wolle, sondern will, dass er sich bekehre und lebe, Ezech. 33, 11. Und wie Christus die armen Sünder also freundlich zu sich rufet, wie er sie will erquicken, Matth. 11, 28. Und dass Gott seinen Sohn darum habe in die Welt gesandt, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist, als (nämlich) den armen, bußfertigen, wiederkehrenden Sünder, und wie er um des armen Sünders willen habe sein Leben in den Tod gegeben und für ihn in unserer angenommenen Menschheit gestorben sei.
16. Mehr soll er ihm festiglich einbilden, dass ihn Gott in Christo Jesu viel lieber wolle erhören und zu Gnaden annehmen als er zu ihm komme und dass Gott in der Liebe Christi in dem hochteuren Namen Jesu nichts Böses könne wollen, dass kein Zornblick in diesem Namen sei, sondern er ist die höchste und tiefste Lieb und Treu, die allergrößeste Süßigkeit der Gottheit in dem großen Namen JEHOVA, welchen er in unserer verderbten und verblichenen Menschheit des himmlischen Teils, welches im Paradeis durch die Sünde verblich, hat offenbaret und sich deshalben nach seinem Herzen beweget, dass er uns seine süße Liebe einflößete, auf dass des Vaters Zorn, welcher in uns entbrannt war, dadurch verlösche und in Liebe verwandelt würde; welches alles um des armen Sünders willen geschehen ist, dass der möchte wieder eine offene Gnadenpforte erlangen.
17. In solcher Betrachtung soll er ihm festiglich einbilden, dass er diese Stunde und Augenblick vor dem Angesicht der Hl. Dreifaltigkeit stehe und dass Gott wahrhaftig in ihm und außer ihm gegenwärtig sei vermöge der Hl. Schrift: Bin nicht ich’s der alles erfüllte? Jer. 23,24. Item (desgleichen): Das Wort ist dir nahe als nämlich deinem Munde und Herzen, Röm. 10,8. Item: Wir wollen zu euch kommen und Wohnung in euch machen, Joh. 14, 23. Item: Ich will alle Tage bis an der Welt Ende bei euch bleiben, Matth. 28, 20. Item: Das Reich Gottes ist inwendig in euch, Luk. 17,21.
18. Also soll er gewiß wissen und glauben,dass er mit seiner Seele feste vor dem Angesicht Jesu Christ vor der heiligen Gottheit stehe und dass sich seine Seele habe rücklings von Gottes Angesicht gewandt, und dass er jetzo diese Stunde wolle seiner Seelen Augen und Begierde gegen Gott wenden und mit dem armen verlorenen und wiederkehrenden Sohne zum Vater kommen (Luk. 15, 20). Er soll mit untergeschlagenen Augen seiner Seelen und Gemütes in Furcht und höchster Demut vor Gott nahen, seine Sünde und Unwürdigkeit zu beichten wie folget:
Diese Beichte mag ihm (sich) ein jeder nach seinem Anliegen formieren (formulieren) und vermehren wie ihn der Hl. Geist wird lehren. Ich will nur eine kurze Anleitung geben.
19. O großer unerforschlicher, heiliger Gott, der du dich in Christo Jesu aus großer Liebe gegen uns mit deinem heiligen Wesen in unserer Menschheit hast offenbaret. Ich armer, unwürdiger, sündiger Mensch komme vor dein geoffenbartes Angesichte, in der Menschheit Christi, wiewohl ich’s nicht wert bin, dass ich meine Augen zu dir aufhebe und stehe vor dir; und bekenne dir, dass ich an deiner großen Liebe und Gnade, die du uns geschenkt hast, bin treulos und brüchig worden. Ich habe den Bund, welche du aus lauter Gnaden durch die Taufe mit mir gemacht hast, in welchem du mich zum Kind und Erben des ewigen Lebens hast angenommen, verlassen, und habe meine Begierde in die Eitelkeit dieser Welt eingeführet und meine Seele damit besudelt und ganz viehisch und irdisch gemacht, dass sich auch meine Seele vor Sündenschlamm nicht kennet und ganz für (als) ein fremdes Kind vor deinem Angesichte achtet, das nicht wert ist, dass es deiner Gnade begehren soll. Ich liege im Schlamm der Sünden und Eitelkeit meines verderbten Fleisches bis an den Gaumen meiner Seelen und habe nur noch ein kleines Fünklein des lebendigen Odems in mir, welches deiner Gnaden begehret. Ich bin mir in der Eitelkeit also tot worden, dass ich auch in dieser Eitelkeit meine Augen nicht zu dir aufheben darf.
O Gott in Christo Jesu, der du um der armen Sünder willen bist Mensch worden, dass dass du ihnen helfen willst. Dir klage ich’s, zu dir habe ich noch einen Funken der Zuflucht in meiner Seele. Ich habe dein erworbenes Erbe, das du durch deinen bittern Tod uns armen Menschen erworben hast, nichts geachtet und mich der Erbschaft der Eitelkeit in deines Vaters Zorn im Fluche der Erden teilhaftig gemacht und bin in Sünden gefangen, und an deinem Reiche halb erstorben. Ich liege in Ohnmacht deiner Kraft und der grimmige Tod wartet meiner. Der Teufel hat mich vergiftet, dass ich dich meinen Heiland nicht kenne. Ich bin ein wilder Zweig an deinem Baum worden und habe mein Erbe an dir mit des Teufels Säuen verzehret. Was soll ich vor dir sagen, der ich deiner Gnaden nicht wert bin. Ich liege im Schlafe des Todes, der mich hat gefangen und bin mit dreien starken Ketten hart angebunden. O du Durchbrecher des Todes! Komm mir doch zu Hilfe. Ich kann und vermag nichts. Ich bin mir tod worden und habe keine Kraft vor dir, und darf auch meine Augen vor großer Schande vor die nicht aufheben, denn ich bin der besudelte Säuhirte, und habe mein Erbe mit der falschen buhlerischen Hure der Eitelkeit in Fleischeslust vertan. Ich habe mich in eigener Lust gesucht und nicht dich. Nun bin ich in meiner Selbheit zum Toren geworden und bin nacket und bloß. Meine Schande steht mir unter Augen. Ich kann sie nicht verbergen, dein Gericht wartet meiner. Was soll ich vor dir sagen, der du aller Welt Richter bist? Ich habe nichts mehr, das ich fürtragen kann. Hie stehe ich vor dir nacket und bloß und falle vor deinem Angesichte zu Boden und klage dir mein Elend und flehe zu deiner großen Barmherzigkeit, wiewohl ich’s nicht wert bin. So nimm mich doch nur in deinen Tod und laß mich doch nur in deinem Tode meines Todes sterben. Schlage doch du mich in meiner angenommenen Ichheit zu Boden und töte durch deinen Tod meine Ichheit, auf dass ich nicht mehr mir selber lebe, weil ich in mir selber nur Sünden wirke. So schlage doch du das böse Tier, voll falscher List und eigener Begierde, zu Boden und erlöse doch die arme Seele von ihren schweren Banden.
O barmherziger Gott, deine Liebe und Langmut ist’s, dass ich nicht allbereits in der Hölle liege. Ich ergebe mich mit meinem ganzen Willen, Sinnen und Gemüte in deine Gnade und flehe zu deiner Barmherzigkeit. Ich rufe dir durch deinen Tod aus dem kleinen Fünklein meines Lebens, mit dem Tode und der Höllen umfangen, welche ihren Rachen gegen mich aufsperren und wollen mich gar im Tode verschlingen; der du zugesaget hast: Du willst da glimmende Docht nicht auslöschen (Jes. 42, 3). Nun habe ich keine andere Straße zu dir als dein Leiden und Sterben, weil du unsern Tod durch deine Menschheit hast zum Leben gemacht, und die Ketten des Todes zersprenget. So ersenke ich meiner Seelen Begierde in deinen Tod, in die aufgebrochene Pforten deines Todes.
O großer Brunnquell der Liebe Gottes, laß mich doch meiner Eitelkeit und Sünde, in dem Tode meines Erlösers Jesu Christi sterben!
O du Odem der großen Liebe Gottes, erquicke doch meinen schwachen Odem in mir, dass er anfahe (anfange), nach dir zu dürsten! O Jesu, du süße Kraft, gib doch meiner Seele aus deinem Gnadenbrünnlein deines süßen Wassers des ewigen Lebens zu trinken, dass sie vom Tode aufwache und nach dir dürste. Ach, wie gar matt ist sie doch an deiner Kraft! O barmherziger Gott, bekehre du doch mich, ich kann nicht! O du Ritter des Todes, hilf mir doch ringen. Wie hält mich der Feind an seinen drei Ketten und will meiner Seelen Begierde nicht lassen vor dich kommen. Komm doch du, und nimm meiner Seelen Begierde in dich. Sei doch du mein Zug zum Vater und erlöse mich von des Teufels Banden! Siehe nicht an meine Ungestalt, dass ich vor dir nacket stehe und habe dein Kleid verloren. Bekleide doch nur meinen Odem (d. h. die Seele), der noch in mir lebet und deiner Gnade begehret und laß mich noch einst sehen dein Heil!
O allertiefste Liebe nimm doch meiner Seele Begierde in dich. Führe sie doch aus des Todes Banden durch deinen Tod in dir aus! Erquicke mich doch in deiner Kraft, auf dass meine Begierde und Wille anfahe neu zu grünen! Ach, du Überwinder des Todes und Zornes Gottes, über winde doch du in mir meine Ichheit. Zerbrich ihren Willen und zerknirsche meine Seele dass sie sich vor dir fürchte und stets vor dir zu Boden falle und sich ihres eigenen Willens vor deinem Gerichte schäme, dass sie als dein Werkzeug dir gehorsam sei. Beuge du sie in Todesbanden, nimm ihr die Gewalt, auf dass sie ohne dich nichts wolle!
O Gott Hl. Geist in Christo meinem Heiland, lehre mich doch, was ich tun soll, daß ich mich möge zu dir wenden. Wende doch meinen Willen in mir zu dir. Zeuch doch du mich in Christo zum Vater und hilf mir, auf dass ich jetzt von nun an von der Sünden und Eitelkeit ausgehe und nimmermehr wieder darin eingehe. Erwecke doch du eine rechte Reue über die begangene Sünde in mir. Halt mich doch an deinem Bande und laß mich nicht von dir los, dass mich der Teufel nicht sichte in meinem bösen Fleisch und Blut, und wieder in den Tod des Todes führe. Laß mich doch nichts ohne dich anfahen, wollen, denken, noch tun. Ach, wie lange, Herr, bin ich’s doch nicht wert, dass ich von dir begehre. Laß doch meiner Seelen Begierde nur in den Toren deiner Vorhöfen wohnen. Mache sie nur zu deiner Diener Knecht. Errette sie doch nur aus der grausamen Gruben, da kein Trost noch Erquickung innen ist.
O Gott in Christo Jesu, ich bin in mir blind und kenne mich nicht vor Eitelkeit. Du bist mir in meiner Blindheit verborgen, der du doch nahe bei mir ist. Aber dein Grimm hat mich finster gemacht, welchen meine Begierde erwecket hat. Nimm doch nur den Odem meiner Seelenbegierde zu dir. Prüfe ihn Herr und zerschelle ihn, dass meine Seele möge einen Strahl deiner süßen Gnade erreichen.
Vor dir liege ich als ein Toter, dessen Leben auf seinem Gaumen schwebet, als ein kleines Fünklein. Zünde du es doch an, Herr, und richte meiner Seelen Odem vor dir auf! Herr, ich warte auf deine Zusage, der du gesagt hast: So wahr ich lebe, ich habe nicht Lust am Tode des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe. – Ich ersenke mich in den Tod meines Erlösers Jesu Christi und harre deiner. Dein Wort ist Wahrheit und Leben. Amen.
20. Auf solche oder dergleichen Art, wie sich ein jeder in seinem Gewissen fühlet, in was (welche) Sünden er seine Seele eingeführet hat, mag er beichten, wiewohl – so der Fürsatz recht ernst ist – keine Formula nötig zu machen ist, dann der Geist Gottes, welcher bald im Willen des Gemüts ist, wird sie ihme im Gewissen wohl selber machen, demm er ists, der in einer rechten ernsten Begierde selber die Buße wirkt und die Seele durch Christi Tod vor Gott vertritt.
21. Dem lieben Leser, welcher in einem christlichen Fürsatz ist, will ich aber nicht bergen (verheimlichen), wie es gemeinlich in solchem harten Fürsatz pfleget zu gehen, zwar einem anders als dem andern, nachdem der Fürsatz ernstlich und groß ist. Denn der Geist Gottes ist ungebunden und pflegt mancherlei Prozess zu halten, wie er einen jeden kennet. Jedoch der im Kriege gewesen ist, der kann vom Streite reden, obs einem auch also ging, zur Nachricht.
22. Es kommt, dass ein solch Herz mit strengem Fürsatze also vor Gott kommt und in die Buße eingehet. Es geht ihm aber wie dem kanaanäischen Weiblein (Math. 15, 22), als wollte Gott nicht hören. Sein Herze bleibet ohne Trost. Es treten ihm noch wohl seine Sünden und Unwürdigkeit unter Augen, als sei er’s nicht wert. Sein Gemüte ist, als wäre es stumm. Die Seele ächzet in der Tiefe. Das Herz empfähet nichts, kann auch wohl seineBeichte vor Gott nicht ausschütten, gleich als wäre ihme sein Herz und Seele verschlossen. Die Seele wollte gerne, aber das Fleisch hält sie gefangen. Der Teufel decket feste zu und modelt (gaukelt) ihm den Weg der Eitelkeit wieder vor und kitzelt ihn mit Fleischeslust und saget im Gemüte: Harre noch, tue erst dies und das.Sammle dir zuvorhin Geld, dass du in der Welt nicht darfst (bedarfst), alsdann tritt in ein frommes Leben in die Buße; es ist Zeit genug.
23. O, wie viel hundert verderben in solchem Anfange, so sie wieder in die Eitelkeit eingehe; und geht ihnen als einem jungen Pfröpflein, das von Winden abgebrochen wird oder von der Hitze verdorret.
24. Höre liebe Seele, willst du ein Ritter des Todes und
der Höllen in deinem Heilande Christo werden und willst, dass dein junges
Pfröpflein ein Baum im Reiche Christi werden und wachsen, so musst du im
ernsten ersten Fürsatz bleiben stehen, es kostet dein erstes väterliches Erbe,
dazu dein Leib und Seele; entweder ein Engel in Gott oder ein Teufel in der
Hölle. Willst du gekrönet werden, so musst du streiten (2. Tim. 2, 5), du musst
in Christo siegen und nicht vor dem Teufel unten liegen. Dein Fürsatz soll
bleiben stehen. Du musst zeitliche Ehre und Gut diesem nicht vorziehen.
Wenn des Fleisches Geist sagen: Harre noch, es ist jetzt nicht angenehme, so
muß die Seele sagen: Es ist jetzt meine Zeit und Stunde, dass ich wieder in
mein Vaterland eingehe, daraus mich mein Vater Adam hat ausgeführet. Es soll
mich keine Kreatur halten. Und solltest du irdischer böser Leib darum zu
Trümmern gehen, und verschmachten, so will ich anjetzo in den Rosengarten
meines Erlösers Jesu Christi durch sein Leiden und Tod zu ihme mit meinem
Willen und ganzer Begierde eingehen und dich, du irdischer Leib, der du mir
meine Perle hast verschlungen, welche Gott meinem Vater Adam im Paradies gab,
in Chriusti Tode dämpfen und den Willen deiner Wollust in der Eitelkeit brechen
und dich, als einen bösen Hund, an die Kette meines ernsten Fürsatzes anbinden.
Und solltest du gleich aller Menschen Narr darum sein, so sollst du doch meiner
Seelen ernsten Fürsatz gehorsamen (gehorchen). Von dieser Kette soll dich
niemand auflösen als der zeitliche Tod. Dazu helfe mir Gott und seine Kraft!
Amen.
Eine kurze Andeutung, wie die arme Seele wieder vor Gott treten soll und wie sie um das edle Ritterkränzlein streiten solle, was für Waffen sie anziehen soll, so (wenn) sie will wider Gottes Zorn, auch wider Teufel, Welt und Sünden, mit Fleisch und Blut, wider Sternen und Elementen und wider alle Feinde in Streit ziehen:
26. Liebe Seele zu diesem gehöret Ernst. Es muß nicht nur eine Erzählung solcher Worte sein. Der ernste fürgesetzte Wille muß das treiben oder wird nicht erlanget werden. Denn will die Seele Christi Ritterkränzlein von der edlen Jungfrau Sophia erlangen, so muß sie in großer Liebesbegierde mit ihr darum buhlen. Sie muß sie bei ihrem allerheiligsten Namen darum bitten und in gar großer züchtiger Demut vor sie treten, nicht als brünstiger Sier oder geile Venus. Also lange sie solche sind, sollen sie solches nicht begehren, sie erlangens nicht Und ob was erlangt würde in dieser Zeit, so ist es bei solchen doch nur ein Glast (Abglanz) davon.
27. Aber ein züchtiges Gemüt mags wohl erlangen, dass die Seele in ihrer edlen Bildnis, welche in Adam starb, lebendig gemacht werde, verstehet (das Heißt): in der himmlischen Leiblichkeitnach dem inwendigen Grunde, und dass sie das Siegeskränzlein aufsetze und als (wie) eine Krone beigeleget wird. Gleichwie man einen König krönet, und hernach seine Krone verwahret, also geschieht auch der Seelen, weil (solange) sie noch mit dem Sündenhause (sterbl. Leiblichkeit) umgeben ist, damit, ob sie wieder fiele, nicht ihre Krone besudelt würde. Hiermit den Kindern, so dieses wissen und erfahren haben, verständig genug geredet; kein Gottloser Saumensch (in der Art des verlorenen Sohns) ist dieses ferner zu wissen würdig.
Prozeß
28. Hierzu gehört ein nüchtern Gemüte, welches in ernstem Fürsatz und in höchster Demut, mit Reue seiner Sünden vor Gott also trete, da ein Fürsatz innen ist, dass der Mensch nicht mehr will in die alten Fußstapfen der Eitelkeit eintreten, und und sollte ihn die ganze Welt darum für närrisch halten, er auch Ehre und Gut darum verlieren, dazu das zeitliche Leben, so wollte er dennoch darinnen verharren.
29. Ein solch Gelübde muß er der edlen Jungfrau Sophia in seinem Fürsatz und Gemüte tun, will er ihre Ehe und Liebe erlangen. Denn Christus sagte auch also: Wer nicht verlässet Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, Geld, Gut und alles, was er hat, ja auch sein irdisches Leben, und folget mir nach, der ist meiner nicht wert. – Solches versteht Christus auf das seelische Gemüte, dass, ob etwas wäre, welches das Gemüte hierinnen wollte aufhalten, wie schön und herrlich das in dieser Welt auch schiene, soll es doch das Gemüte nicht achten und lieber wollen entbehren als als die Liebe der edlen Jungfrauen Sophiae im Gewächse der Blume Christi, in seiner zarten Menschheit in uns, nach himmlischer Leiblichkeit. Denn das ist die Blume zu Saron, die Rose im Tal, davon Salomon spielet (Hohelied 2, 1) und seinen lieben Buhlen, seine züchtige Jungfrau nennet, welche er also liebete, so (die) wohl alle Heiligen vor und nach ihme geliebet haben. Welcher sie hat erlanget, der hat sie seine Perle geheißen. Wie nun um diese zu bitten sei, folget hienach eine kurze Anleitung. Das Werk aber wird dem Hl. Geiste befohlen in jedem Herzen, da sie gesucht wird. Derselbe formet ihme selber das Gebet.
30. Ich armer, unwürdiger Mensch komme abermal vor dich, o großer heiliger Gott und hebe jetzt meine Augen zu dir auf; ob ich’s wohl nicht wert bin so hat mich aber deine große Barmherzigkeit und deine teure Zusage in deinem Worte kühne gemacht, dass ich jetzt die Augen meiner Seelen Begierde zu dir aufhebe. Denn meine Seele hat jetzt das Wort deiner Verheißung in sich gefasset und mit diesem kommet sie zu dir. Und ob sie noch ein fremdes Kind vor dir ist, welches dir ungehorsam war, nun aber begehret, gehorsam zu sein, so windet sich aber meine Seele jetzt mit ihrer Begierde in das Wort ein, das Mensch worden ist, das Fleisch und Blut worden ist, das in meiner Menschheit die Sünde und den Tod zerbrochen hat, das in meiner Seelen den Zorn in Liebe verwandelt hat, das dem Tod seine Macht und der Höllen ihren Sieg in Seele und Leib genommen hat, welches meiner Seelen eine offene Pforten zu deinem klaren Angesicht deiner Kraft gemacht hat. – In dieses allerheiligste Wort habe ich, o großer, allerheiligster Gott, meiner Seelen Hunger und Begierde eingeführet, und komme jetzt vor dich und rufe in meinem Hunger durch dein Wort, das Fleisch und Blut worden ist, in dich, du lebendige Quelle: Dieweil dein Wort ist das Leben in unserem Fleisch worden, so fasse ich’s in meiner Seelenbegierdeals mein eigen Leben und dringe mit meiner Seelenbegierde durch dein Wort im Fleisch Christi – durch seine heilige Empfängnis in Maria der Jungfrau, und durch seine Ganze Menschwerdung, durch seine heilige Geburt, durch seine Taufe am Jordan, durch seine Versuchung in der Wüsten, da er in der Menschheit des Teufels und dieser Welt Reich überwand, durch alle seine kräftigen Wunderwerke, die er auf Erden tat, durch seien Spot und Verachtung, durch sein unschuldig Leiden und Sterben, durch sein Blutvergießen, da Gottes Zorn mit in der Seele und Fleisch ersäufet ward, durch seine Ruhe im Grabe, da er unsern Vater Adam aus seinem Schlaf erweckte, da er war des Himmelreichs eingeschlafen, durch seine Liebe, die durch den Zorn drang und in der Seelen die Hölle überwand und zerstörete; und durch seine Auferstehung von den Toten; durch seine Himmelfahrt; durch die Sendung des Hl. Geistes in unsere Seele und Geist; und durch alle seine Worte und Verheißung, dass du Gott Vater willst den Hl. Geist geben denen, die dich in dem Namen und durch das Wort, das Mensch ward, bitten werden – in dich.
O du Leben meines Fleischesund der Seele in Christo meinem Bruder! Zu dir flehe ich in meiner Seelen Hunger und bitte dich aus allen meinen Kräften, wiewohl sie schwach sind, gib mir doch, was du mir in deinem Heilande Jesu Christo geschenket und versprochen hast als sein Fleisch zur Speise und sein Blut zum Trank, meiner armen hungrigen Seelen zur Labung, auf dass sie in deinem Wort, das Mensch ward, möge kräftig werden und sich erquicken, dadurch sie recht lüsternd und hungrig nach dir werde.
O tiefe Liebe in dem allersüßesten Namen Jesu! Ergib dich doch in meiner Seelen Begierde ein. Hast du dich doch darum in der Menschheit beweget und nach deiner großen Süßigkeit offenbaret und rufest uns zu dir, die wir nach dir hungrig und durstig sind; und hast uns zugesaget, du wollest uns erquicken. Jetzt sperre ich meiner Seele Gaumen gegen dich, o allerheiligste, süßeste Wahrheit, auf. Und ob ich unwürdig bin, solches von deiner Heiligkeit zu begehren, so komme ich aber durch dein bitter Leiden und Tod zu dir, da du meine Unreinigkeit hast mit deinem Blute besprenget und in deiner Menschheit geheiliget und mir eine offene Pforte durch deinen Tod zu deiner süßen Liebe in deinem Blute gemacht. Durch deine heiligen fünf Wunden, daraus du dein Blut vergossen, führe ich meiner Seelen Begierde in deine Liebe ein. O Jesu Christe, Gottes und Menschensohn, nimm doch dein erworbenes Erbe, das dir dein Vater geschenket, in dich. Ich rufe in mir durch dein heiliges Blut und Tod in dich, tue dich in mir auf, dass dich meiner Seelen Geist in sich erreiche. Greife du mit deinem Durst, den du am heiligen Kreuze nach uns Menschen hattest, in meinem Durst und tränke mich mit deinem Blute in meinem Durst, auf dass mein Tod in mir, der mich gefangen hält, in deinem Blute der Liebe ersäufe und mein verblichenes Bilde – das in meinem Vater Adam in der Sünde des Himmelreiches verblich – in deinem kräftigen Blute lebendig werde. Und zeuch es meiner Seelen wieder an als einen neuen Leib, der im Himmel wohnet, darinnen deine heilige Kraft und Wort, das Mensch ward, innewohnet, welches der Tempel deines Hl. Geistes ist, der in uns wohnet; wie du uns zugesaget hast: Wir wollen zu euch kommen und Wohnung in euch machen (Joh. 14, 23).
O große Liebe Jesu Christi! Ich kann nichts mehr, als ich ersenke meine Begierde in dich, ein Wort, das Mensch ward, ist die Wahrheit. Weil du mich hast heißen kommen, so komme ich jetzo. Mir geschehe nach deinem Worte und Willen. Amen.
Warnung an den Leser
31. Wohlmeinende will ich dir, lieber Leser, nicht bergen, was mir hierbei ernstlich gezeiget ist: Ist dir noch in der Eitelkeit des Fleisches wohl und bist nicht in ernstem Fürsatze auf dem Weg zur neuen Wiedergeburt, in willens, ein anderer Mensch zu werden, so laß die obgeschriebenen Worte in diesem Gebet ungenannt oder werden dir in dir zum Gerichte Gottes werden. Du sollst die heiligen Namen Gottes nicht missbrauchen. Sei treulich gewarnet, sie gehören der durstigen Seelen. Ist es ihr recht ernst, sie wird’s erfahren was sie sind.
33. Es muß ein treues Band deiner Zusage sein, soll sie dich krönen. Du musst von ehe versuchet werden. Sie nimmt ihre Liebestrahlen wieder von dir und siehet, ob du willst Treue halten. Sie lässet dich auch wohl flehen und antwortet dir nicht mit einem Blick ihrer Liebe. Denn soll sie dich krönen, so musst du von ehe gerichtet werden, dass du das saurer Bier, welches du dir hast eingeschenket in deinen Greueln, schmeckest. Du musst von ehe vor die Pforten der Höllen und deinen Sieg um und in ihrer Liebe in der Kraft, damit sie dich anblickete, wider des Teufels Angriff beweisen.
34. Christus ward in der Wüsten versuchet. Willst du ihn anziehen, so musst du durch seinen ganzen Prozess von seiner Menschwerdung an bis zu seiner Himmelfahrt gehen. Ob du wohl nicht kannst noch darfst das tun, was er getan hat, so musst du doch gänzlich in seien Prozess eingehen und der Seelen Eitelkeit in seinem Prozess immerdar sterben. Denn Jungfrau Sophia vermählet sich anderst gar nicht mit der Seelen als nir in dieser Eigenschaft, welche in der Seelen durch Christi Tod ausgrünet als ein neu Gewächse, das im Himmel stehet. Der irdische Leib ergreifet sie dieser Zeit nicht, denn er muß von ehe der Eitelkeit absterben. Aber das Himmelsgebilde, welches in Adam vergeblich als der wahre Weibessame (I. Mose 2, 15), darinnen Gott Mensch ward und seinen lebendigen Samen himmlischer Wesenheit dareinführete. Der ergreifet das edle Perllein auf Art wie in Marien im Ziel dieses Bundes geschahe.
35. Darum siehe zu, was du tust. Sagest du zu, so halt, sie wird dich lieber krönen als du es begehrest. Aber du musst stehen, wenn der Versucher mit der Welt Wollust, Schöne und Herrlichkeit zu dir tritt, so muß es das Gemüte verwerfen und sagen: Ich soll Knecht im Weinberge Christi sein und nicht Herr dessen alles, was ich habe, bin ich nur ein Diener Gottes darüber und solle darmit tun, wie mich sein Wort lehret. Mein Herze soll zum Albern (Geringen) im Staub und stets demütig sein.
36. Du seiest in was Stande du wollest, so muß Demut an der Spitze stehen, sonsten erlangest du nicht ihre Ehe, wiewohl wahre Demut erst in ihrer Ehe geboren wird. Aber dein freier Wille der Seelen muß als ein Ritter stehen; denn so der Teufel nicht mag mit der Eitelkeit der Seelen obsiegen, dass sie ihme nicht will anbeißen, so kommt er mit der Unwürdigkeit, mit dem Sündenregister. Allda gilt es Kämpfens.
37. Allhie muß Christi Verdienst an die Spitze gestellt werden, anders kann die Kreatur nicht vor dem Teufel siegen, denn es gehet allhie mit manchem schrecklich zu, dass auch die äußrere Vernunft meinet, dieser Mensch sei sinnlos und vom Teufel besessen. Also grausam wehret sich der Teufel in manchem, zumal so er hat ein groß Raubschloß in ihme gehabt, wann er soll weichen und sein Raubschloß verlassen. Allhie gilt es Kämpfens, da Himmel und Hölle miteinander streiten.
45. Wenn sich der Eckstein Christus in dem verblichenen
Bilde des Menschen, in seiner herzlichen Bekehrung und Buße beweget, so
erscheinet Jungfrau Sophia in der Bewegung des Geistes Christi, in dem
verblichenen Bilde vor der Seelen in ihrem jungfräulichen Schmucke, vor welcher
sich die Seele in ihrer Unreinigkeit entsetzet, daß alle ihre Sünden erst in
ihr aufwachen und vor ihr erschrecken und zittern, Denn allda gehet das
Gerichte über die Sünde der Seelen an, daß sie auch wohl in ihre Unwürdigkeit
zurücke weichet und sich vor ihrem schönen Buhlen [Geliebten] schämet, in
sich geht und sich vernichtiget als ganz unwürdig, ein solches Kleinod zu
empfahen
[empfangen], den Unsern [Geistesverwandten] verstanden,
so dieses Kleinod geschmecket haben und sonst niemanden wissende. Aber die edle
Sophia nahet sich in der Seelen Essenz und küsset sie freundlich und tingieret [färbt] mit
ihrem Liebestrahl das finstere Feuer der Seelen und durchscheinet die Seele mit
ihrem Liebeskusse. So springet die Seele in ihrem Leibe vor großen Freuden in
Kraft der jungfräulichen Liebe auf, triumphieret und lobet den großen Gott
kraft der edlen Sophia.
Dessen ich allhie eine kurze Andeutung stellen will, wie es zugehe, wenn die
Braut den Bräutigam herzet. Dem Leser, so vielleicht noch nicht möchte sein an
diesem Ort gewesen, zum Nachdenken, ob ihn lüstere, uns nachzufahren und auch
an den Reihen [Reigen] zu treten, da man mit Sophia spielet.
Wenn nun dieses, wie oben gemeldet, geschiehet, so erfreuet sich die Seele in
ihrem Leibe und spricht:
46. Nun sei dir, o großer Gott, in deiner Kraft und Süßigkeit, Lob, Dank,
Stärke, Preis und Ehre, daß du mich von dem Treiber der Angst erlöset hast. O
du schönes Lieb, mein Herze fasset dich, wo bist du so lange gewesen? Mich
deuchte
[ich meinte] ich wäre in der Hölle und in Gottes Grimm. O
holdseliges Lieb, bleib doch bei mir, sei doch meine Freude und Erquickung.
Führe mich doch auf rechter Straße. In deine Liebe ergebe ich mich. Ach ich bin
ja vor dir dunkel; mache mich doch lichte. O edles Lieb, gib mir doch deine
süße Perle; lege sie doch in mich!
O großer Gott in Christo Jesu, nun preise und lobe ich dich in deiner Wahrheit,
in deiner großen Macht und Herrlichkeit, daß du mir hast meine Sünde vergeben
und hast mich mit deiner Kraft erfüllet. Ich jauchze dir in meinem Leben und
lobe dich in deiner Feste [Wohnung Gottes], welche niemand aufschließen
kann als dein Geist in deiner Barmherzigkeit. Meine Gebeine erfreuen sich in
deiner Kraft, und mein Herz spielet in deiner Liebe. Dank sei dir ewiglich, daß
du mich aus der Höllen erlöset und den Tod in mir zum Leben gemacht hast. Jetzo
empfinde ich deine verheißende Wahrheit. O süßes Lieb, laß mich doch nicht
wieder von dir weichen. Schenke mir doch dein Perlenkränzlein und bleib in mir.
Sei doch mein Eigentum, daß ich mich ewig in dir erfreue.
Darauf spricht die Jungfrau Sophia zur Seelen:
47. Mein edler Bräutigam, meine Stärke und Macht, bist mir zu vielen Malen
willkommen. Wie hast du meiner so lange vergessen, daß ich in großem Trauren
vor deiner Tür stehen müssen anklopfen? Habe ich dir doch allezeit geflehet und
gerufen. Aber du hattest dein Antlitz von mir gewandt. Deine Ohren waren aus
meinem Lande gegangen. Mein Licht konntest du nicht sehen, denn du wandeltest im
finstern Tal. Ich hin nahe bei dir gewesen und habe dir stets geflehet, aber
deine Sünde hielt dich im Tode gefangen, daß du mich nicht kanntest. Ich kam in
großer Demut zu dir und riet dir, aber du warest in der Macht des Zornes Gottes
reich und achtest meiner Demut nicht. Du hattest dir den Teufel zum Buhlen
genommen. Der hat dich also besudelt und sein Raubschloß der Eitelkeit in dir
aufgebauet und dich ganz von meiner Liebe und Treue abgewendet in sein
gleißnerisches falsches Reich, darinnen hast du viel Sünde und Bosheit gewirket
und deinen Willen von meiner Liebe abgebrochen, und hast mir die Ehe gebrochen
und eine fremde Buhlschaft gepflogen und mich, deine dir von Gott gegebene
Braut, lassen im verblichenen Wesen ohne Stärke deiner Feuersmacht stehen. Ich
habe nicht können ohne deine Feuersmacht fröhlich sein, denn du bist mein Mann;
Von dir wird mein Glanz offenbar. Du kannst meine verborgenen Wunder in deinem
Feuerleben offenbaren und in Majestät einführen, und bist doch außer mir ein
dunkel Haus, da nur Angst und Pein, dazu eine feindliche Qual innen ist.
O edler Bräutigam, bleib doch mit deinem Angesichte vor mir stehen und gib mir
deine Feuerstrahlen. Führe deine Begierde in mich und zünde mich an, so will
ich dir aus meiner Sanftmut deine Feuerstrahlen in ein weißes Licht verwandeln
und meine Liebe durch deine Feuerstrahlen in deine Feueressenz einführen, und
will dich ewig küssen.
O mein Bräutigam, wie ist mir so wohl in deiner Ehe. Küsse mich doch mit deiner
Begierde, in deiner Stärke und Macht, so will ich dir alle meine Schöne zeigen
und dich mit meiner süßen Liebe und hellem Licht in deinem Feuerleben erfreuen.
Alle heiligen Engel erfreuen sich jetzt mit uns, daß sie uns wieder in der Ehe [Verbindung]
sehen. Nun mein lieber Buhle, bleib doch in meiner Treue und wende dein
Angesichte nicht mehr von mir. Wirke du in meiner Liebe deine Wunder, dazu dich
Gott erwecket hat.
Weiter spricht die Seele zu ihrer edlen Jungfrau Sophia
als zu ihrer in ihr wiedergeborenen Buhlschaft:
48. Ach, meine edle Perle und eröffnete Flamme meines Lichtes in meinem
ängstlichen Feuerleben, wie verwandelst du mich in deine Freude! O schönes
Lied, ich bin dir ja in meinem Vater Adam brüchig [untreu] worden und
habe mich durch die Feuersmacht in Wollust und Eitelkeit der äußern Welt
gewandt und eine fremde Buhlschaft angenommen und hätte also müssen ewig im
finstern Tal, in fremder Buhlschaft wandeln, wenn du nicht wärest in großer
Treu durch dein Durchdringen und Zerbrechung des Zornes Gottes, der Höllen und
finstern Todes in das Haus meines Elendes zu mir kommen und hättest meinem
Feuerleben deine Sanftmut und Liebe wiederbracht.
O süße Liebe, du hast mir Wasser des ewigen Lebens aus Gottes Brünnlein
mitgebracht und mich in meinem großen Durste erquicket. In dir sehe ich Gottes
Barmherzigkeit, welche mir zuvorn in der fremden Buhlschaft verborgen stunde.
In dir kann ich mich erfreuen. Du wandelst mir meine Feuerangst in große
Freude. Ach holdseliges Lieb, gib mir doch deine Perle, daß ich ewig möge in
solcher Freude stehen.
Darauf antwortet die edle Sophia der Seelen wieder und spricht:
49. Mein lieber Buhle und treuer Schatz, du erfreuest mich hoch in deinem
Anfange. Ich bin ja durch die tiefen Tore Gottes zu dir eingebrochen, durch
Gottes Zorn, durch Hölle und Tod in das Haus deines Elendes, und habe dir meine
Liebe aus Gnaden geschenket und dich von Ketten und Banden erlöset, daran du
feste angebunden warest. Ich habe dir meine Treu gehalten. Aber du bittest
jetzt ein Schweres von mir, das ich nicht gerne mit dir wage. Du willst mein
Perllein zum Eigentum haben. Gedenke doch, mein lieber Bräutigam, wie du es
vorhin [beim
Sündenfall] in Adam verwahrloset hast. Dazu stehest du noch in
großer Gefahr und wandelst in zweien gefährlichen Reichen. Als in deinem
Feuer-Urstand wandelst du im Lande, da sich Gott einen starken eiferigen Gott
und ein verzehrend Feuer nennet. Im andern Reiche wandelst du in der äußern
Welt in der Luft, im eiteln verderbten Fleisch und Blut, da der Welt Wollust
mit des Teufels Angriffen alle Stunde über dich herrauschen. Du möchtest in
deiner großen Freude wiederum Irdigkeit [das Irdische, Menschliche] in
meine Schöne einführen und mir mein Perllein verdunkeln. Auch möchtest du stolz
werden wie Luzifer ward, als er das Perllein zum Eigentum hatte, und möchtest
dich von Gottes Harmonie abwenden. So müßte ich hernach ewig meines Buhlen
beraubet sein.
Ich will mein Perllein in mir behalten und will in deiner verblichenen und
jetzt in mir wieder lebendig gemachten innern Menschheit im Himmel in dir wohnen
und mein Perllein dem Paradeis vorbehalten, bis du diese Irdigkeit von dir
ablegest. Alsdann will ich dirs zum Eigentum geben. Aber mein Antlitz und süße
Strahlen des Perlleins will ich dir die Zeit dieses irdischen Lebens gerne
darbieten. Ich will mir dem Perllein im inneren Chor wohnen und deine getreue
liebe Braut sein. In dein irdisch Fleisch vermähle ich mich nicht, denn ich bin
eine Königin der Himmeln und mein Reich ist nicht von dieser Welt. Jedoch will
ich dein äußer Leben nicht wegwerfen, sondern ofte mit meinen Liebesstrahlen
heimsuchen, denn deine äußere Menschheit soll wiederkommen. [in der
»Auferstehung des Leibes«] Aber das Tier der Eitelkeit will ich
nicht haben. Gott hat das [die menschliche Leiblichkeit] auch nicht aus seinem
Fürsatz also grob und irdisch geschaffen, sondern deine Begierde hat diese
viehische Grobheit in Adam durch Lust gefasset aus allen Essentien der
aufgewachten Eitelkeit irdischer Eigenschaft, darinnen Hitze und Kälte, dazu
Wehetun und Feindschaft, auch das Zerbrechen stehet.
Nun, mein lieber Buhle und Bräutigam, gib dich mir in meinen Willen. Ich will
dich in diesem irdischen Leben in deiner Fährlichkeit [Gefährdung] nicht
verlassen, wenn dich gleich wird Gottes Zorn überziehen, daß dir wird bange
sein und meinest, ich habe dich verlassen, so will ich doch bei dir sein und
dich verwahren, denn du kennest dich nicht, was dein Amt ist. Du sollst diese
Zeit wirken und gebären. Du bist die Wurzel dieses Baumes, aus dir sollen
Zweige geboren werden, die müssen alle in Ängsten geboren werden Ich dringe
durch deine Zweige in ihrem Saft mit aus und gebäre Früchte auf deinen Ästen,
und das weißt du nicht; denn der Höchste hat mich also geordnet, bei und in dir
zu wohnen.
Darum wickle dich in die Geduld und behüte dich vor Wollust des Fleisches.
Brich ihm den Willen und Begierde. Halte es im Zaum als [wie]
ein böses Roß, so will ich dich ofte in deiner feurischen Essenz besuchen und
dir meinen Liebeskuß geben und dir ein Kränzlein aus dem Paradeis zum Zeichen
meiner Liebe mitbringen und aufsetzen, darinnen du dich sollst erfreuen. Aber
mein Perllein gebe ich dir diese Zeit nicht zum Eigentum. Du sollst in der
Gelassenheit bleiben stehen und hören, was der Herr in deiner Harmonie in dir
spielet. Dazu sollst du ihm Klang und Essenz deines Tons aus meiner Kraft
geben, denn du bist nun jetzt ein Bote seines Mundes und sollst seinen Ruhm und
Ehre verkündigen. Um dieser Ursache halben hab ich mich jetzt aufs neue mit dir
verbunden und dir mein ritterliches Siegeskränzlein, das ich in der Schlacht
des Teufels und Todes erlanget habe, aufgesetzet. Aber die Perlenkrone, damit
ich dich krönete, habe ich dir beigeleget. [aufbewahrt] Die sollst
du nicht mehr tragen bis du rein vor mir wirst sein.
Die Seele spricht ferner zur edlen Sophia:
50. Ach du meine schöne und süße Gemahlin, was soll ich vor dir sagen? Laß mich
nur dir befohlen sein Ich kann mich nicht verwahren. Willst du mir jetzt nicht
das Perllein geben, so sei es in deinem Willen. Gib mir nur deine
Liebesstrahlen und führe mich durch diese Pilgramstraße. Erwecke und gebäre du
in mir, was du willst. Ich will hinfort dein eigen sein und mir nichts mehr
wollen noch begehren, ohne was du durch mich willst. Ich hatte deine süße Liebe
verscherzt und dir meine Treue nicht gehalten. Dadurch ich war in ewige Strafe
gefallen. Weil du aber bist aus Liebe zu mir in die Höllenangst kommen und hast
mich von Pein erlöset, auch wieder zum Gemahl angenommen, so will ich jetzt um
deiner Liebe willen meinen Willen brechen und dir gehorsam sein und auf deine
Liebe warten. Ich habe nun genug, daß ich weiß, daß du in allen Nöten bei mir
bist und mich nicht verlässest. O holdseliges Lieb, ich wende mein feuriges
Angesichte zu dir. O schöne Krone, hole mich doch balde in dich und führe mich
aus der Unruhe. Ich will ewig dein eigen sein und nimmermehr von dir weichen.
Die edle Sophia antwortet
der Seelen ganz tröstlich und spricht:
51. Mein edler Bräutigam, sei getrost, ich habe mich mit dir verlobet in meiner
höchsten Liebe und in meiner Treue mir dir verbunden. Ich will alle Tage bis an
der Welt Ende bei und in dir sein. Ich will zu dir kommen und Wohnung in deinem
innern Chor in dir machen. Du sollst aus meinem Brünnlein trinken, denn ich bin
nun dein und du bist mein; uns soll der Feind nicht mehr scheiden. Wirke du in
deiner feurischen Eigenschaft, so will ich dir meine Liebesstrahlen in dein
Wirken eingeben. Wir wollen den Weinberg Jesu Christi bauen. Gib du Essenz des
Feuers, so will ich Essenz des Lichtes und
Gedeihen geben. Sei du Feuer, so will ich Wasser sein und wir wollen das in
dieser Welt verrichten, dazu wir von Gott verordnet sind, und wollen ihm dienen
in seinem Tempel, der wir selber sind. Amen.
De Poenitentia – Liber 2
oder
Von waherer Buße
Das zweite Büchlein
Eine kurze Andeutung von dem Schlüssel zum Verstande
göttlicher Geheimnis, wie der Mensch in sich zur göttlichen Beschaulichkeit
gelangen möge.
Geschrieben den 9. Februar 1623.
Welcher Mensch in sich zu göttlicher Beschaulichkeit gelangen und in Christo
mit Gott reden will, der folge diesem Prozess, so kommt er dazu.
1.Er soll alle seinen Sinnen und Vernunft samt aller Einbildung zusammen in
einen Sinn raffen und eine solche starke Imagination ihm (sich) einfassen, sich
selber zu betrachten, was er sei, indem ihn die Schrift Gottes Bild, Gen. 1,
27; ja einen Tempel des Hl. Geistes, I. Kor. 6, 19 nennet, der in ihm wohnet,
und nennet ihn Christi Gliedmaß und beut ihm Christi Fleisch und Blut an.
2. So soll er sich in seinem Leben beschauen, ob er auch dieser großen Gnade
würdig und dieses hohen Titels Christi fähig sei, und anheben, sein ganzes
Leben zu betrachten, was er getan und wie er seine ganze Zeit zugebracht habe.
Ob er sich auch in Christo befinde. Ob er auch in göttlichem Willen stehe oder
wozu er geneiget sei. Ob er auch einigen Willen in sich finde, der sich
herzlich nach Gott sehne und gerne selig sein wollte.
3. Und so er nun einen tief verborgenen Willen in sich findet, der da gerne
wollte zu Gottes Gnade sich wenden, so (wenn) er nur könnte. So wisse er, dass
derselbe Wille das eingeleibte und im Paradies nach begangener Sünde
eingesprochene Wort Gottes sei, dass ihn danach Gott Jehova als der Vater zu
Christo zeucht. Denn in unserer Eigenheit, haben wir keinen Willen mehr zum
Gehorsam.
4. Aber derselbe Zug als die eingeleibte, eingesprochene Gnade, zeucht alle
Menschen, auch den allergottlosesten – wenn er nicht gar eine Distel ist und
dem Zuge (im Prozess) einen Augenblick still stehen will – von seiner falschen
Wirkung.
5. Daß also kein Mensch an Gottes Gnade Ursach hat zu zweifeln, so er in sich
eine Begierde findet, sich dermaleins zu bekehren.
6. Derselbe spare es keinen Augenblick mehr, wie geschrieben steht: Heute wenn
ihr des Herrn Stimme höret, so verstocket eure Ohren und Herzen nicht (Hebr. 3,
7).
7. Denn die Begierde zur Einmal-Bekehrung ist Gottes Stimme im Menschen, welche
der Teufel mit seinen eingeführten Bildern verdeckt und aufhält, dass es von
einem Tage und Jahr aufgeschoben wird, bis endlich die Seele zur Distel wird
und die Gnade nicht mehr erreichen kann.
8. Dieser Mensch tue nur dies Ding in seiner sinnlichen Betrachtung und sehe
seinen ganzen Lauf an und halte ihn gegen die Zehen Gebot Gottes und gegen die
Liebe des Evangelii, das ihm gebeut, seinenn Nächsten zu lieben als ihn selber
und dass er allein in Christi Liebe ein Gnadenkind sei, und sehe, wie weit er
davon abgeschritten sei, und was seine täglich Übung und Begierde sei. So wird
ihn derselbe Zug des Vaters in Gottes Gerechtigkeit einführen und die
eingemodelten Bilder in seinem Herzen weisen, die er für Gott geliebet, die er
für seien besten Schatz gehalten hat und noch hält.
9. Diese Bilder werden sein: (1) Hoffart, sich selber zu lieben und von anderen
geehrtet sein wollen. Item (desgleichen), es wird sein das Bild einer Sauen,
als (das heißt) der Geiz, der alles allein haben will,; und hätte er die Welt
und den Himmel, so will er auch die Hölle beherrschen, welcher mehr begehrt als
er zu dem zeitlichen Leben bedarf und keinen Glauben in sich zu Gott hat,
sondern ist eine besudelte Sau, die alles begehrt in sich zu ziehen. (3) Item,
es wird in ihm sein ein Bild des Neides, das in andere Herzen sticht und
anderen nicht gönnet, ob (falls) sie mehr zeitliches Gut und Ehren haben als
er. (4) Item, es wird sein der Zorn, da sich der Neid als ein Gift darinnen
erhebt und um geringerer Ursach willen stoßen, schlagen, zürnen und sich
rechtfertigen will. (5) Item, es werden ein Haufen, ja viel hundert irdische
Tiere in ihm sein, die er liebet. Denn alles, was in der Welt ist, das liebet
er und hat es an Christi Stelle gesetzt und ehret es mehr als Gott. Sehe er nur
seine Worte an, wie sein Mund andere Menschen heimlich verleumdet und übel bei
den Seinigen ausrichtet, oft übel, ohne gewissen Grund nachredet, des Nächsten
Unglück sich freuet und ihm dasselbe gönnet, welches alles Klauen und Krallen
des Teufels und das Bild der Schlangen sind, das er in sich träget.
10. Da besehe er nun diese gegen (vor) Gottes Wort im Gesetze und Evangelium,
so wird er sehen, dass er mehr ein Tier und Teufel ist, als ein wahrer Mensch,
und wird klar sehen, wie diese eingebildet und angeerbte Bilder von Gottes
reich ihn aufhalten und davon abführen und der armen Seelen diese Larven für
Heiligkeit einbilden, dass sie in die Lust derselben wieder eingehet und in
Gottes Zorn sitzen bleibet und endlich in Abgrund tritt, wenn ihr die Gnade und
der Zug des Vaters verlischt.
11. Deme sagen wir unsern eigenen Prozess, dass sobald er dieser Tiere inne wird, er alsbald dieselbe Stunde und Minute sich in der Seelen also fasse und in einem Wille einführe, dass er wolle von dem tierischen Willen ausgehen und dadurch wahre Buße zu Gott sich wenden. Und ob er das in Kräften nicht vermag noch kann, so nehme er Christi Verheißungen in sich, da Christus sprach: Suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. Kein Sohn bittet den Vater ums Brot, der ihm einen Stein dafür biete oder um ein Ei, der ihm einen Skorpion biete. Könnt ihr, die ihr arg seid, euern Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird mein Vater im Himmel den Hl. Geist geben denen, die ihn darum bitten, Luk. 11,13.
12. Diese Verheißung bildet er in ihm (sich) in sein Herz; denn sie ist des Teufels und aller angeeberten und eingemodelten Tiere Gift und Tod. Und komme alsbald dieselbe Stunde mit diesen eingebildeten , verheißenen Worten mit seinem Gebet vor Gott und bilde ihm zuvorhin alle dien gräulichen Tiere ein, derer er selber (von denen er selbst eines) ist, und denke in sich selbst anders nichts, denn dass er der besudelte Säuhirte sei, der all seines Vaters Gut und sein kindlich Recht mit diesen Säuen der Welt, mit den bösen Tieren vertan habe, dass er jetzo vor Gottes Angesicht anderst nicht stehe als ein elender nackter zerlumpter Säuhirte, der seines Vaters Erbe mit der Welt tierischer Bilder verhuret und verbuhlet habe und habe mmehr keine Gerechtigkeit zu Gottes Gnade, sei derer auch nicht wert, viel weniger dass er ein Christ oder Gottes Kind genannt werde, und verzage auch an allen seinen guten Werken die er jemals getan hat, denn sie sind nur aus gleißnerischem Schein einer Gottseligkeit gegangen, damit der Menschenteufel ein Engel genannt sein will (2. Kor. 11, 14). Denn ohne Glauben ists unmöglich, Gott gefallen, sagt die Schrift (Hebr. 11, 6).
13. Aber er verzage an göttlicher Gnade nicht, nur an sein selber und an seinem Können und Vermögen, und bücke sich in seiner Seelen aus allen Kräften vor Gott. Und ob gleich sein Herz spricht lauter, Nein, oder: Harre noch, es ist heute nicht gut, oder: deine Sünden sind zu groß, es mag nicht sein, dass du zur Huld Gottes kommest. Daß ihme in sich also Angst wird, dass er nicht zu Gott beten kann, auch weder Trost noch Kraft in sein Herze bekommt, dass ihm ist, als wäre seine Seele an Gott ganz blind und tot. So soll er doch stehen und Gottes Verheißung für eine gewisse, unfehlbare Wahrheit halten und mit untergeschlagenem Herzen zu Gottes Gnade seufzen und in seiner großen Unwürdigkeit derselben sich einergeben.
14.Und ob er wohl sich zu unwürdig achtet, als der ein Fremdling sei, dem das Erbe Christi nicht mehr gebühre, und er sein Recht verloren habe, so soll er ihm aber fest einbilden, dass Christus sagte: Er wäre kommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist, als den armen an Gott toten und blinden Sünder. Diese Verheißung bilde er ihm ein und mache ihm in sich einen solchen strengen Vorsatz, dass er von der verheißenen Gnade Gottes in Christo nicht wolle ausgehen, sollte ihm gleich Leib und Seele zerspringen. Und ob er alle sein Lebtage keinen Trost in sein Herze zur Vergebung erlangen sollte, so sei Gottes Zusage doch beständiger als aller Trost, so ihm widerfahren möchte.
15. Auch setze er ihm für und schließe seinen Willen also hart in seinen Vorsatz, dass er nicht mehr wolle in die alten tierischen Bilder und Laster eingehen, und sollten alle seine Säue und Tiere um ihren Hirten trauren, sollte darum auch aller Welt Narr sein, so wolle er doch beständig in seinem Vorsatze und an Gottes Gnadenverheißung bleiben. Sei er aber ein Kind des Todes , so wolle er in Christi Tode sein und ihm sterben und leben, wie er wolle. Er richte nur seinen Vorsatz in stetes Gebet und Seufzen zu Gott und ergebe ihm alle seine Anfäng und Tun in seiner Hände Werke, und sei von der Einbildung des Geizes, Neides und der Hoffart stille. Er übergebe nur diese drei Tiere, so werden die anderen gar balde anheben, schwach und krank zu werden und sich zum Sterben nahen. Denn Christus wird bald in seinen verheißenen Worten, welche er ihm einbildet und sich darei hüllet, eine Gestalt zum Leben bekommen, und wird in ihm anheben zu wirken, darin sein Gebet wird kräftiger werden, und wird je länger je mehr im Geiste der Gnaden gestärket werden.
16. Gleichwie ein Same im Kinde zum Mutterleib wirket und wächset unter vielen Anstößen der Natur und auswendigen Zufällen, bis dass das Kind sein Leben im Mutterleib bekommt, also gehet es auch allhie zu. Je mehr der Mensch von sich aus den Bildern (weltlichen Vorstellungen) ausgehet, je mehr gehet er in Gott ein, bis solang Christus in der eingeleibten Gnade lebendig wird, welches geschieht in großem Ernst des Vorsatzes. So gehet alsobald die Vermählung mit der Jungfrau Sophien an, da die zwei (Sophia und die Seele) Liebe einander in Freuden empfahen und mit gar inniglicher Begierde in die allersüßeste Liebe Gottes miteinander eindringen. Allda in kurzer Frist die Hochzeit des Lammes bereitet ist, da Jungfrau Sophia, als die würdige Menschheit Christi mit der Seelen vermählet wird. Und was allda geschehe und was für Freuden allda gehalten werden, deutet Christus mit der großen Freude über den bekehrten Sünder, welche im Himmel im Menschen vor Gottes Augen und allen heiligen Engeln gehalten werden, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen, Luk. 15,7.
17. Dazu wir weder Feder noch Worte haben zu schreiben oder zu reden, was die süße Gnade Gottes in Christi Menschheit sei, und was denen widerfahre, welche würdig zu des Lammes Hochzeit kommen, welche wir in unserm eigenen Prozess selber erfahren haben und wissen, dass wir unsers Schreibens wahren Grund haben. Welchen wir unsern Brüdern in der Liebe Christi herzlich gerne mitteilen wollten. Wenn es möglich wäre, dass sie unserem treuen kindlichen Rat glauben wollten, sie würdens in ihnen erfahren, wovon diese einfältige Hand die großen Geheimnisse verstehe und wisse.
18. Weil wir denn vorhin einen ganz ausführlichen Traktat von der Buße und neuen Wiedergeburt geschrieben haben (erstes Kapitel), so lassen wir es allhier nur bei einer Andeutung bleiben und weisen den Leser daselbst hin, sowohl in das große Werk über die Genesis (Mysterium Magnum). Da wird er allen Grund dessen finden. Und vermahnen ihn christlich, uns nachzufahren in diesem Prozess, so wird er zu göttlicher Beschaulichkeit in sich selber kommen und höhren, was der Herr durch Christum in ihm saget. Und empfehlen ihn hiermit der Liebe Christi.
Wird fortgesetzt
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